1,6 Millionen Euro für Radwege in Lingen
Lingener Tagespost - Lokales vom 08.06.2020
Lingen „Masterplan, der alles berücksichtigt“, „Anreiz zum Radfahren“ sowie „bahnbrechendes System“ – es sind Worte von Oberbürgermeister Dieter Krone, die eines beschreiben: das neue Hauptradroutennetz der Stadt Lingen. So sieht das 1,6-Millionen-Euro-Projekt aus.
Wie kommen Radfahrer aus den Stadt- und Ortsteilen auf komfortablen Wegen in die Innenstadt und wieder zurück? Und wie sind sie auch in den dunklen Wintermonaten geschützt? Das sind die Kernfragen, mit denen sich die Politik in den vergangenen Jahren befasst hat. Herausgekommen ist dabei das Hauptradroutennetz, das Oberbürgermeister Dieter Krone nun im gemeinsamen Bau- und Planungs- sowie im Verkehrsausschuss vorgestellt hat.
Künftig wird es laut Krone elf Hauptradrouten geben, die die zehn Ortsteile, die bis zu zehn Kilometer entfernt sind, mit der Innenstadt verbinden. 1,6 Millionen Euro werden dafür in der kommenden Zeit investiert, um die „teils in die Jahre gekommene Radverkehrsinfrastruktur aufzuwerten“.
29 Euro pro Einwohner
„Es ist eine Größenordnung an Investitionen, die wir zuvor so noch nicht in der Stadt Lingen hatten“, sagte er. Umgerechnet gibt die Stadt 29 Euro pro Einwohner für den Radverkehr aus, sagte Krone und zog einen Vergleich: Berlin gebe pro Einwohner fünf Euro aus, Frankfurt sogar nur vier Euro.
Doch wofür genau werden nun die 1,6 Millionen Euro zum Großteil ausgegeben? Im Maßnahmenkatalog, der auf dem Konzept zum klimafreundlichen Fuß- und Radverkehr aus dem Jahr 2015 beruht und in einer Bachelorarbeit eines Studenten der Fachhochschule Münster 2019 ausgearbeitet sowie in Zusammenarbeit mit den Ortsräten sowie Vertretern der Stadtteilvereinen erarbeitet wurde, wird deutlich: für die Straßenbeleuchtung. Insgesamt 640 000 Euro werden dafür laut Krone und Stadtbaurat Lothar Schreinemacher investiert. Weitere größere Kosten entstehen unter anderem durch Oberflächensanierungen (310 000 Euro), den Bau von Querungshilfen (280 000 Euro), neue Schutzstreifen (120 000 Euro) sowie Planungskosten (100 000 Euro). Die Kosten für die geplante Beleuchtung in Teilbereichen entlang der Bundesstraße 70 und 213 sind in der Kalkulation noch nicht enthalten.
Abseits Hauptstraßen
Diesbezüglich ist noch eine Abstimmung mit dem Straßenbaulastträger erforderlich, sagte Schreinemacher. Die zentralen Anforderungen an die Routen sind neben guter Befahrbarkeit, ausreichenden Wegbreiten auch im Idealfall die Führung auf separaten Wegen abseits der Hauptverkehrstraßen. Dass das nicht überall möglich war, zeigt sich mit Blick auf die Strecke zwischen Holthausen und der Innenstadt. Dort führt die Route entlang der Meppener Straße. Das wurde von FDP-Politiker Dirk Meyer scharf kritisiert, der schon vor der Abstimmung bekannt gab, dass sich seine Partei enthalten werde.
Seiner Aussage nach war der Ortsrat für den Ausbau eines Radweges direkt am Kanal gewesen: „Warum wurde dieser Vorschlag nicht aufgenommen, wenn doch im Vorfeld die Meinung der Ortsräte berücksichtigt wurde?“ Seiner Auffassung nach sollte der Entscheidungsprozess und die Transparenz dieses Verfahrens hinterfragt werden.
Das wollte Schreinemacher nicht auf sich sitzen lassen: Es habe mehrere Diskussionsrunden mit den Ortsbürgermeistern gegeben und bei mindestens einer habe seiner Kenntnis nach Uwe Dietrich, der Ortsbürgermeister von Holthausen-Biene, gefehlt.
Fünf Routen nach Lingen
Zudem habe sich das Kinder- und Jugendparlament für eine Route an der Meppener Straße ausgesprochen. Schreinemacher bezeichnete Holthausen als einen Stadtteil mit Luxusproblemen in Sachen Radfahren: „Es gibt allein fünf Routen nach Lingen.“
Parteiübergreifend wurde das Konzept der Stadt Lingen begrüßt. Die Politiker stimmten einer Enthaltung der FDP mehrheitlich für den Vorschlag. Uwe Hilling von der CDU bezeichnete es als guten Anfang. „Es ist ein großer Schluck aus der Pulle“, bezog er sich auf das Kostenvolumen von 1,6 Millionen Euro. Die Kosten nahm SPD-Politiker Andreas Kröger zum Anlass, um zu fragen, ob die Stadt sich so ein teures Projekt in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie durch geringere Steuereinnahmen leisten kann? Krone sagte, dass er nicht in die Glaskugel schauen könne, die Stadt es „sich aber leisten muss“. Es werde dann anderswo Geld eingespart.
Diese Meinung vertrat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Lingen ebenfalls. „Es ist toll, dass Radverkehr in den Fokus gerät“, sagte Helmut Reimann vom ADFC, der als beratendes Mitglied des Ausschusses vertreten war. Doch das „aber“ folgte. Nach Meinung des ADFC hapert es mit Blick auf die Planungen bei den Sicherheitsvorkehrungen für den Radverkehr noch immer gewaltig – vor allem beim Ausbau von Mindestbreiten der Radstreifen, für die laut Vorlage Kosten in Höhe von 30 000 Euro einkalkuliert sind.
Autos auf Radstreifen
Gerade auf viel befahrenen Straßen in der Stadt – wie der Rheiner Straße, der Meppener Straße oder dem Willy-Brandt-Ring – weisen die angelegten Radstreifen nur Mindestbreiten auf und zudem neben zu schmalen Parkstreifen geführt, sagt der ADFC. Das führe immer wieder dazu, dass geparkte Fahrzeuge, die immer breiter werden, teilweise auf den Radstreifen stehen. Radfahrer sind dann gezwungen, nach links in den fließenden Autoverkehr einzufädeln.
Die Meinung des ADFC: Wenn die Stadt Lingen eine Verkehrsverlagerung zugunsten der umweltfreundlichen Verkehrsarten möchte, muss sie den begrenzten Verkehrsraum anders verteilen. Das gehe nur zulasten der umweltschädlichen Verkehrsarten und bedeute, dass Parken vor allem an Hauptverkehrsstraßen einzuschränken ist. Zudem begegnen sich auch Radfahrer und Fußgänger auf gemeinsamen Rad- und Fußwegen. „Ziel der Hauptroute ist es doch, zügig in die Stadt zu gelangen, wie soll das funktionieren, wenn Radfahrer dann Schritttempo fahren müssen?“, fragte Reimann.
Im Ausschuss wurde parteiübergreifend deutlich: Es gibt noch viele Verbesserungsvorschläge. Dem ist sich die Stadt bewusst, erklärte Stadtbaurat Schreinemacher: „Es ist ein erster Schritt, danach wird weiterdiskutiert.“