70 Jahre Niedersachsen-FDP Parteistar Lindner gibt Landes-FDP Rückenwind

Lingener Tagespost vom 29.05.2017
Die FDP ist wieder gefragt. Auch in Niedersachsen ist die Stimmung nach den jüngsten Wahlerfolgen prächtig. Und Parteichef Lindner wird wie ein Popstar gefeiert.
Hannover. Die ältere Dame will unbedingt ein Foto von Parteichef Christian Lindner. Und deswegen drückt sie ihr Handy seinem Vorgänger Philipp Rösler in die Hand. Der hat auch Zeit, während Lindner dicht umlagert wie ein Popstar unentwegt in fotografierende Fanhandys lächelt.
Die Zeiten haben sich gedreht, seit die Partei unter dem Niedersachsen Rösler und begleitet von viel öffentlicher Häme 2013 aus dem Bundestag flog. Nun ist die FDP wieder da. Nicht nur in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, wo die gestärkten Fraktionen nach den Landtagswahlen auf Regierungskurs steuern. Auch in Niedersachsen, wo eine neue Umfrage die Liberalen acht Monate vor der Landtagswahl schon bei 9 Prozent sehen. Der Umfrage zufolge würde es in Hannover derzeit sogar für eine schwarz-gelbe Koalition reichen.
Fanevent mit Lindner
Und so wird aus einer Jubiläumsveranstaltung zu 70Jahren niedersächsische Liberale ein Fanevent. 700Besucher haben sich am Sonntag in Hannovers Astor-Kino angemeldet. Anderen habe man absagen müssen, sagt Landesparteichef Stefan Birkner. Der große Saal ist so voll, dass die Lindner-Rede sogar in einen zweiten übertragen werden muss.
Dabei findet die Veranstaltung zweier FDP-naher Stiftungen unter sehr erschwerten Bedingungen statt: Die Technik streikt, erst mit fast 40 Minuten Verspätung geht es los. Die Technik in Hannovers modernstem Kino weigert sich, die geplanten FDP-Imagefilme abzuspielen. Und in den Mikros der Redner knarzt, rauscht und fiept es unentwegt.
Und selbst so macht Lindner eine gute Figur. Nachdem Moderator Martin Brüning zuvor erklärte, dass man die Veranstaltung auch ins besser digitalisierte Südkorea hätte verlegen können, kontert Lindner trocken: „Eigentlich können die Techniker froh sein, dass wir nicht in Nordkorea sind“.
FDP will Grüne angreifen
Es ist ein Auftritt im typischen Lindner-Stil. Frei stehend und frei sprechend lobt er seine Partei als einzige Vertreter der freien Marktwirtschaft. Die Positionen des CDU-Wirtschaftswunderministers Ludwig Erhard würden bei einem CDU-Bundesparteitag heute wohl keine Mehrheit mehr finden, argwöhnt er. In Hannover greift der FDP-Frontmann auch die Grünen an. Bereits in den 1970er Jahren habe seine Partei den Ressourcenschutz zum Thema gehabt. „Joschka Fischer hat noch mit Steinen auf Polizisten geworfen, da haben Liberale schon Umweltpolitik gemacht“, sagt Lindner. Nun werde man den Grünen die Hoheit über das Thema streitig machen. Vor allem im ländlichen Raum will die FDP mit Umweltkonzepten punkten, die auch ein Recht des Menschen auf Gestaltung einer Kulturlandschaft umfasst.
Solche Kampfansagen schrecken die landespolitische Konkurrenz nicht. Bei einer Diskussionsrunde betonen Vertreter aller anderen Landtagsparteien Gemeinsamkeiten mit der FDP: Grünen-Fraktionschefin Anja Piel sieht Schnittmengen bei der Sicherheits- und Europapolitik. SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies betont, dass Koalitionen viel mit „den handelnden Personen zu tun“ haben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Lies mit der FDP gut kann. Und Reinhold Hilbers von der CDU lobt die vielen Gemeinsamkeiten. Die FDP ist wieder da. Sie ist wieder attraktiv. Und das Werben hat begonnen.