Darf Nazi-Kunst neben den Eingang der Lingener Kunsthalle?

Lingener Tagespost - Lokales vom 12. Dezember 2018
Von Caroline Theiling Brauhardt

Lingen. Über den Standort für die Gedenktafeln des Eisenbahnausbesserungswerkes (EAW) ist es zu einer ausführlichen, aber sehr sachlichen Diskussion im Lingener Kulturausschuss gekommen. Im Ergebnis war man sich einig, dass vor einer Entscheidung nochmals innerhalb der Fraktionen gesprochen werden müsse.

Dabei ging es im Wesentlichen um die Frage, ob mittels propagandistischer Nazi-Kunst an tote Soldaten der beiden Weltkriege erinnert werden darf. In einem eindringlichen Plädoyer hatte sich die Direktorin der Kunsthalle, Meike Behm, gegen den vorgeschlagenen Standort am Eingang der Kunsthalle ausgesprochen. „Seit der Gründung des Kunstvereins Lingen 1983 und seit der Eröffnung der Kunsthalle vor mehr als 20 Jahren vermittelt sie Weltoffenheit und Toleranz gegenüber regional, national und international formulierter Kunst und Künstlern und diskutiert Inhalte auf kritische Art. Und dies jeweils in einem geschützten Raum und im Kontext Kunst“, betonte Meike Behm.

Den Gefallenen gedenken

Ihrer Meinung nach vermittelt die Aufstellung dieses Monuments aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit den Eindruck, der Vorstand des Kunstvereins und die Leitung der Kunsthalle würden dieser Ideologie versöhnlich oder gleichgültig gegenüber stehen. Dabei legte sie Wert auf die Feststellung, dass gegen das Gedenken von Gefallenen in den Kriegen und von Opfern der Zeit des Nationalsozialismus nichts einzuwenden sei, doch dies müsse zeitgemäß und keineswegs in Form eines Monumentes aus der Zeit der Nationalsozialisten erfolgen.
Ein Stück Stadtgeschichte

Dieser Argumentation konnten sich mehrere Mitglieder und hinzu gewählte sachkundige Bürger anschließen. So hielt Jens Beeck (FDP) das Andenken „zwar für wichtig und richtig, aber mit dem Ding?“ Ohne Einbettung in einen Kontext dürften die Tafeln seiner Meinung nach nicht aufgestellt werden. Es müsse deutlich werden, dass es sich hier um ein Stück Stadtgeschichte handle. Auch Björn Roth (CDU) hielt das Werk für kritikwürdig. „Ein Werk der totalitären Ideologie darf nur mit entsprechendem Kommentar einen Platz finden“, unterstrich Studiendirektor Martin Kolbe.
Geeigneter Platz?

Edeltraut Graeßner (SPD) konnte zwar die Argumente nachvollziehen, sieht aber die Fläche an der Halle IV als einzigen „geeigneten freien Platz“ an der ehemaligen Werkshalle, auch „wenn da zufällig die Kunsthalle ist“.

Nicht auseinandernehmen

Das wiederum konnte Robert Koop von der Bürgernahen nicht akzeptieren. Der ganze Ausschuss sollte sich anschauen, „ob wir das vor der Tür haben wollen“. Die Idee, die Figuren rechts und links wegzunehmen und nur die Namen zu erhalten, werde dem auch nicht gerecht. Dann sei es nicht mehr historisch, fuhr Koop fort.

Auch die Ausschussvorsitzende Irene Vehring (CDU) sprach sich gegen das „Auseinandernehmen“ aus. Man müsse das Ganze als „ein Werk“ betrachten, auch wenn die Größe schon eine logistische Herausforderung darstelle.

Sensibles Thema

„Es ist unstrittig, dass die beiden Figuren für eine bestimmte Ideologie stehen,“ unterstrich Rudolf Kruse, Leiter des Fachdienstes Kultur in einem Gespräch mit der Redaktion. „Wir müssen mit hoher Sensibilität an das Thema ran.“ Gleichzeitig war er, ebenso wie Edeltraut Graeßner, ein wenig überrascht, dass erst jetzt diese Diskussion aufkomme, obwohl das Thema Gedenktafeln schon seit rund fünf Jahren immer mal wieder auf der Tagesordnung war. Er begrüßte den Beschluss, bis zur nächsten Sitzung nochmals über geeignete Standorte für die Gedenktafeln nachzudenken.