Einstimmiger Ratsbeschluss Stadt Lingen ist jetzt ein "Sicherer Hafen"

Lingener Tagespost - Lokales vom 25.10.19
Von Wilfried Roggendorf

Lingen. Einstimmig bei einer Enthaltung hat der Rat der Stadt am Donnerstag im zweiten Anlauf beschlossen, Lingen zum „Sicheren Hafen“ zu erklären. Im September 2018 hatte ein entsprechender Antrag im Rat keine Mehrheit gefunden. Unterstützter der Initiative „Seebrücke“ begrüßten die Entscheidung, mahnten aber an, sie müsse jetzt mit Leben gefüllt werden.

Michael Fuest, Fraktionsvorsitzender der Grünen, begründete den gemeinsam von seiner Fraktion, den Bürgernahen (BN) und der SPD gestellten Antrag. Es gehe um ein Zeichen gegen die unmenschliche Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU. „Weiterhin sterben tausende Schutz suchende Menschen auf See und in der Sahara“, erklärte Fuest. Die Hetze gegen Geflüchtete und Seenotretter habe zu einer Verschiebung des gesellschaftlichen Konsens nach rechts geführt. „Wer die Rettung von Schiffsbrüchigen auch nur diskutiert, stellt in Frage, dass jedes Menschenleben ohne Einschränkung gleich viel wert ist. Flüchtlinge seien letztlich Botschafter der Ungerechtigkeiten einer weltweit vorherrschenden Gesellschaftsordnung, die ständiges Wachstum zum führenden Prinzip erhebe und dadurch Verlierer produziere.

Dank an die Initiative „Seebrücke“

Fuest dankte ebenso wie BN-Fraktionsvorsitzender Robert Koop denjenigen Bürgern, die sich für Lingen als sicheren Hafen eingesetzt hätten. Koop erklärte: Wir begrüßen es, dass sich viele Menschen aus der Bürgerschaft, besonders aus der Hochschule, aus Kirchen und Verbänden, sich nicht resigniert abgewandt haben, als 2018 ein erster Versuch scheiterte, unsere Stadt zum ‚Sicheren Hafen‘ zu erklären. Ohne sie wäre der heutige Beschluss nicht denkbar.“ SPD-Fraktionsvorsitzende Edeltraut Graeßner dankte den Initiatoren der „Seebrücke“ ebenfalls.

Hilling: EU und Mitgliedsstaaten haben versagt

Uwe Hilling, Vorsitzender der CDU-Fraktion, sagte, dass Europa eine schnelle humanitäre Lösung für die in Seenot geratenen Flüchtlinge hätte anbieten müssen. Dies sei trotz aller Bemühungen bis heute nicht geschehen. „Die EU und die Mitgliedsstaaten haben hier versagt.“ Daher werde die CDU - sie hatte im September 2018 gegen einen entsprechenden Antrag gestimmt - diesmal der Resolution zum „Sicheren Hafen Stadt Lingen“ zustimmen.

Meyer: Lingen ist bereit, Flüchtlinge aufzunehmen

Dirk Meyer (FDP) meinte, viele Menschen würden die „Aktion Seebrücke“ Eins zu Eins als Umsetzung des Artikels 1 des Grundgesetzes sehen, in dem die Menschenwürde verankert sei. Daher stimmten auch die Liberalen dem Antrag zu. Meyer mahnte jedoch an, dass in der politischen Diskussion auch der Diskurs und anders lautende Meinung zugelassen sein müssten. Er kritisierte die Form der Auseinandersetzung im Vorfeld des Antrages. Weiter erklärte der Liberale: „Lingen hat gezeigt, dass es bereit ist, Flüchtlinge aufzunehmen.“ Er verwies dabei auch auf die zahlreichen Flüchtlingsinitiativen in den Ortsteilen.

Vorschlag: Städtepartnerschaft mit afrikanischer Stadt

Bernhard Bendick (SPD) erklärte, es sei Konsens, jedem in Not geratenem Menschen zu helfen. Er kritisierte jedoch, dass über das Schicksal von in der Sahara verdurstenden Flüchtlingen nicht gesprochen werde, obwohl dort mehr Menschen als im Mittelmeer sterben würden. Er schlug vor, Fluchtursachen direkt zu bekämpfen. Als konkrete Möglichkeit nannte Bendick eine Städtepartnerschaft mit einer afrikanischen Stadt könne Hilfe unbürokratisch und schnell angeboten werden. „Und dazu brauchen wir nicht Bonn oder Brüssel“, betonte Bendick. Er empfinde den vorliegenden Antrag nur als Absichtserklärung. Daher werde er sich der Stimme enthalten. Margitta Hüsken (BN) entgegnete Bendick: „Nur weil Menschen in der Wüste nicht gerettet werden, können wir die im Mittelmeer nicht ertrinken lassen.“

Hassan: Sieg für alle

Oberbürgermeister Dieter Krone sagte, mit der Erklärung Lingens zum „Sicherer Hafen“ zeige die Stadt, dass sie angesichts der menschlichen Tragödien im Mittelmeer mit der Passivität auf europäischer Ebene nicht einverstanden sei. Ibrahim Hassan (Grüne) meinte mit Blick auf die Abstimmung vor einem Jahr, der jetzige Beschluss zeige, dass Demokratie funktioniere. „Da gibt es keine Niederlage für jemand. Es ist ein Sieg für alle, ein Zeichen der Menschlichkeit zu setzen.“

Der Lingener Georg Thole, Mitglied der Initiative „Seebrücke“, fragte, wie die Stadt den Beschluss mit Leben füllen wolle. Er schlug vor, sich dem im Juni 2019 in Berlin gegründetem „Bündnis Seebrücke“ anzuschließen, um durch diese Vernetzung größeren Einfluss auf die Bundesregierung und die EU nehmen zu können. Krone erklärte, die Stadt werde konkrete Maßnahmen in ihren zuständigen Gremien beschließen.