Erstes politisches Speed-Dating - Junge Leute diskutieren mit Parteienvertretern im Meppener Jam

Meppener Tagespost - Lokales vom 25. Februar 2018
Von Tim Gallandi
Meppen. Ein breites Themenspektrum, von Bildung bis Frauenquote, hat das erste politische Speed-Dating in Meppen gekennzeichnet. Im Jam standen die Vertreter von sieben Parteien den jungen Besuchern Rede und Antwort.
Der Begriff Speed-Dating stammt eigentlich aus der Partnersuche und steht für das Prinzip, in rascher Folge mehrere potenzielle Beziehungspartner kennenzulernen. Pro Gegenüber stehen nur wenige Minuten Gesprächszeit zur Verfügung. Bei der politischen Variante erhalten Interessierte die Chance, sich in kurzem Zeitraum Eindrücke von mehreren Politikern und deren Positionen zu verschaffen.
Dieses Konzept, praktiziert unter anderem während des Landtagswahlkampfs 2017 in Hannover, importierte ein siebenköpfiges Organisationsteam, überwiegend Abiturienten des Gymnasiums Marianum, nach Meppen. Eingeladen wurden Repräsentanten der Parteien des aktuellen Bundestags, ergänzt um die PARTEI, da diese bei jungen Leuten ebenfalls auf Interesse stoße.
Ersatz gefunden
Wer letztlich den Besuchern Rede und Antwort stehen würde, blieb teils bis kurz vor dem Infoabend am Freitag offen. Zwischenzeitlich stand hinter dem Speed-Dating sogar ein Fragezeichen: Wenige Tage vor dem Termin sagten Vertreter der Landesverbände der Jusos und der Grünen Jugend ihre Teilnahme ab. Nach Worten der Organisatoren begründeten sie dies mit dem Mitwirken der rechtspopulistischen AfD, da es bei dieser Art von Veranstaltung keine Möglichkeit gäbe, deren Argumente unmittelbar zu erwidern.
Die Initiatoren fühlten sich „vor den Kopf gestoßen“, sagte Jonas Golkowski, blieben aber dabei, in die politische Auseinandersetzung auch die AfD einbeziehen zu wollen. Letztlich fand sich mit Pascal Geers (SPD) und Martin Tecklenburg (Grüne) Ersatz, sodass es wie geplant losgehen konnte.
G8 oder G9?
Beim Rundgang der kleinen Gruppen zwischen drei und fünf Teilnehmern von Station zu Station zeigte sich, dass die Themenpalette äußerst breit gefächert war. Neben Fragen zu sozialer Gerechtigkeit, Flüchtlingspolitik und Großer Koalition ging es unter anderem um Frauenquote in Führungspositionen, Ressourcenschonung und Digitalisierung.
Mehrfach zur Sprache kam auch die Frage „G8 oder G9?“, sprich: Abitur nach acht oder neun Jahren weiterführender Schule. Die Grundidee sei die einer europaweiten Angleichung gewesen, meinte Christian Straker (FDP), „aber bei der Umsetzung hat es gequietscht“. Auch die CDU hat nach Worten ihrer Vertreterin Marina Thien „teils eingesehen, dass G8 nicht ganz so gut ist“.
Kein „Parteien-Bashing“
Nach etwa zweieinhalb Stunden gab es von den Politikern Lob für Organisatoren und Besucher. Letztere hätten ihn mitunter ins Nachdenken gebracht, sagte Thorsten Heymann (Die Linke). Mehrere politische Vertreter, unter ihnen auch Heiner Rehnen von der AfD, hoben die sachliche Atmosphäre einer Veranstaltung „ohne Parteien-Bashing“ hervor.
Um ein Stimmungsbild zu erhalten, hatten die Initiatoren vor Beginn des Speed-Datings eine Wahlumfrage gemacht. Von 29 befragten Besuchern votierten acht für CDU, sieben für Grüne, sechs für PARTEI, vier für FDP, drei für SPD, einer für Die Linke, null für AfD. Als am Ende gefragt wurde, wer nach den Gesprächsrunden eine andere Wahl treffen würde, hoben sich insgesamt fünf Hände.
Reaktionen
Lilith Sievers, die mit ihren 17 Jahren bisher nicht wählen durfte, hatte sich zuvor noch nicht mit den Parteiprogrammen befasst. Besonders interessierten sie Gespräche zu Bildung und Flüchtlingspolitik. „Ich konnte mir ein gutes Bild machen“, lautete ihr Fazit. Steffen Schröer wiederum fand vor allem die Aussagen der Politiker zur aktuellen Situation der Regierungsbildung spannend. Überrascht habe ihn der Vertreter der FDP „mit der selbstkritischen Haltung zum Abbruch der Jamaika-Sondierungen“.
–––––––
Kommentar von Tim Gallandi:
Politisches Speed-Dating mit ordentlicher Resonanz
Meppen. Wenn Veranstaltungen wie nun das erste politische Speed-Dating für junge Leute im Meppener Jam anstehen, geht es auch um die Frage des Umgangs mit der AfD. Dass die Organisatoren an ihrem Kurs festhielten, niemanden auszuschließen, war im Nachhinein richtig. Ein Kommentar.
Fast wäre das politische Speed-Dating in Meppen ins Wasser gefallen. Ausschlaggebend dafür, dass die Premiere der Veranstaltung kurzzeitig auf der Kippe stand, war die Frage, wie mit der AfD umzugehen ist. Soll man die Rechtspopulisten vom öffentlichen Diskurs ausschließen? Oder soll man sie einbinden, um ihre Standpunkte zu hören und gegebenenfalls entlarven zu können?
Das direkte Kontern der Argumente des politischen Gegners war den Parteienvertretern im Jam zwar nicht möglich. Hätten die Organisatoren den Abend mit informativem Charakter deshalb gestrichen, wäre es im Nachhinein trotzdem bedauerlich gewesen.
Denn man sollte den Besuchern trotz ihres jungen Alters genügend Urteilskraft zugestehen, die einzelnen Positionen bewerten zu können, ohne sich in Nullkommanichts indoktrinieren zu lassen. Auch hatten alle Politiker die gleichen Bedingungen. Und weniger als ein Fünftel aller Teilnehmer gab am Ende unverbindlich an, nun zu einer anderen Partei zu tendieren als zu Beginn.
Die zahlenmäßige Resonanz auf das Ereignis war ordentlich. Man mag sie als Indiz dafür sehen, dass die Generation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen doch nicht so unpolitisch und unkritisch ist wie manche es ihr unterstellen.