Grünen-Antrag abgelehnt - Keine Mehrheit im Lingener Stadtrat für Initiative „Seebrücke“

Lingener Tagespost - Lokales vom 29.08.2018
Von Thomas Pertz

Lingen. In namentlicher Abstimmung hat der Rat der Stadt Lingen einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt, die Stadt möge sich vor dem Hintergrund in Seenot geratener Flüchtlinge auf dem Mittelmeer der Initiative „Seebrücke - schafft sichere Häfen“ anschließen.

Wörtlich heißt es in dem Antrag, den Thomas Kühle für die Fraktion einbrachte: „Der Rat der Stadt Lingen unterstützt – wie zahlreiche andere Städte – die Initiative „Seebrücke - schafft sichere Häfen“ und deklariert die Stadt als sicheren Hafen. Der Rat fordert den Oberbürgermeister auf, der Bundesregierung anzubieten, dass die Stadt Lingen zusätzliche Geflüchtete, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind, aufnehmen kann und will. Der Rat appelliert an die Bundesregierung, sich weiterhin und verstärkt für die Bekämpfung der Fluchtursachen einzusetzen, insbesondere für eine gerechtere und effektivere Entwicklungshilfepolitik und dafür, dass die Menschen aus dem Mittelmeer gerettet werden.“

In namentlicher Abstimmung stimmte die CDU-Fraktion geschlossen gegen den Antrag. Mit Nein stimmten außerdem Bernhard Bendick und Andreas Kröger (SPD), Dirk Meyer (FDP) und Sabine Stüting (Bürgernahe). Mit Ja stimmten die anderen Vertreter der SPD, Grünen, BN und Oberbürgermeister Dieter Krone.

Krone: Unsere Stimme erheben

Kühle hatte zuvor auf die tausenden Menschen hingewiesen, die auf der Flucht auf dem Mittelmeer ertrunken seien. Es gelte, ein Zeichen der Humanität zu setzen. Dieser Auffassung schloss sich auch Oberbürgermeister Dieter Krone an. Ihm sei bewusst, dass durch diese Resolution die Haltung der Bundesregierung und der Europäischen Union nicht geändert werden könne. „Aber was wir wohl können, ist unsere Stimme zu erheben und ein Zeichen zu setzen.“ Die Bürger der Stadt hätten dies gerade erst in der letzten Woche bei der Aktion „Lingen leuchtet“ getan. „Wir wollen das Sterben vor unseren Augen nicht weiter hinnehmen“, begründete Krone sein Ja zur Resolution.

Hilling: Keine städtische Aufgabe

CDU-Fraktionsvorsitzender Uwe Hilling bezeichnete den Antrag der Grünen als „ein nachvollziehbares und zutiefst humanitäres Anliegen.“ Die Rettung und die Aufnahme der in Seenot geratenen Flüchtlinge aus dem Mittelmeer sei aber in erster Linie keine städtische Aufgabe, sondern eine europäische. Die Bundesregierung stehe in der Verantwortung, schnellstmöglich mit der EU eine europäische Lösung für das Drama im Mittelmeer zu suchen und umzusetzen. „Wir sind dann als Stadt natürlich bereit, unseren Anteil zu leisten“, sagte der CDU-Politiker. In diese Richtung argumentierte auch SPD-Fraktionsvorsitzender Bernard Bendick.

„Natürlich sind wir nicht zuständig, aber wir müssen ein Zeichen setzen“, entgegnete Margitta Hüsken für die Fraktion der Bürgernahen. Lingen könne doch nicht mit Hinweisen auf „Notinseln“ an den Geschäften der Stadt Hilfen für Kinder hier anbieten und gleichzeitig keine Notinseln für Flüchtlinge schaffen. Es sei eine schwierige Entscheidung, meinte Dirk Meyer für die FDP. „Auf der einen Seite wollen wir Menschen helfen, auf der anderen aber Schlepper nicht unterstützen“, verwies er auf die Geschäftemacher mit der Flucht. Seine Heimat verlasse niemand freiwillig, sei es nun „der Krieg oder der Gedanke an die nächste Mahlzeit“. Ein Einwanderungsgesetz sei dringend notwendig, so der Liberale. „Als Stadt Lingen wollen wir zu einer Lösung beitragen, aber die Resolution ist an den Falschen adressiert“, begründete Meyer seine Ablehnung.

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Kommentar von Thomas Pertz:
Nachhilfe in Empathie braucht in Lingen niemand

Lingen. Zählen jetzt nur jene zu den guten Menschen, die die Resolution der Grünen im Lingener Stadtrat zur Unterstützung für in Seenot geratene Flüchtlinge aus dem Mittelmeer mitgetragen haben?

Und sind im Umkehrschluss all die anderen anzuprangern, die ablehnten? Das ist Schwarz-Weiß-Denken. Deshalb war auch die polemische Spitze von Marc Riße gegen das Abstimmungsverhalten der „christlich-demokratischen“ CDU überflüssig, zumal seine eigene BN-Fraktionskollegin Sabine Stüting ebenfalls gegen die Resolution gestimmt hatte.

Dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, ist fürchterlich. Da braucht kein Ratsmitglied in Lingen, egal welcher Partei, Nachhilfe in Empathie, um Abscheu gegenüber den Verursachern und Trauer über die Opfer zu empfinden. Dass es aber unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich der Sinnhaftigkeit solcher Resolutionen gibt, ist ebenfalls zu respektieren.

Wer Flüchtlingen konkret zur Seite stehen will, hat dazu auch ohne die „Seebrücke“ viele Möglichkeiten.