Podiumsdiskussion zu Energie- und Agrarpolitik in Lingen

Lingener Tagespost - Lokales vom 18.08.2017
Lingen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) hat eine Podiumsdiskussion mit Bundestagskandidaten zu Fragen der Energie- und Landwirtschaftspolitik in Lingen veranstaltet.
„Der Wahlkampf gibt nicht nur Parteien, sondern auch gesellschaftlichen Gruppen wie dem Bund die Möglichkeit, zu diskutieren“, erklärte der stellvertretende Bund-Landesgeschäftsführer Tim Uhlenhaut in seinem Einführungsreferat. Die Themen Energie- und Agrarpolitik, zu denen die Veranstalter den Kandidaten vorab vier komplexe Fragen hatten zukommen lassen, würden hervorragend zu Lingen und der Region passen, sagte Uhlenhaut.
Schneller Rückbau des KKE gefordert
Die SPD-Bundtagsabgeordnete Daniela De Ridder erklärte, dass ihre Partei sich sowohl dem Umwelt- und Klimaschutz als auch der sicheren Energieversorgung verpflichtet sehe. De Ridder begrüßte den Atomausstieg und betonte, dass in Lingen die Fachkräfte für einen sicheren Rückbau vor Ort vorhanden seien. CDU-Bundestagsabgeordneter Albert Stegemann forderte nach der Abschaltung des Kernkraftwerkes Emsland (KKE) 2022 einen schnellen Rückbau. Die vorhandene Rückbaukompetenz sei eine Chance für Deutschland und die Region. Die CDU habe sich zu erneuerbaren Energien bekannt. „Die Herausforderung sind die benötigten Stromnetze“, erklärte Stegemann. Es sei auch ein Stück weit Aufgabe des Bund, hier für mehr Akzeptanz zu sorgen, richtete sich der Christdemokrat an die Veranstalter.
Endlagerfrage ideologiefrei diskutieren
Stegemann erklärte, dass der Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall benötigt werde. Die Frage nach einem Endlager für starkradioaktiven Abfall müsse ideologiefrei diskutiert werden. FDP-Landtagskandidat Dirk Meyer, der den verhinderten Bundestagskandidaten Jens Beeck vertrat, erklärte hierzu: „Wenn unabhängig gesucht wird, muss auch der Salzstock Wahn mit auf die Tagesordnung. Man darf den Menschen diese Möglichkeit nicht verschweigen.“ Stegemann erwiderte: „Sie Können von mir als Wahlkreisabgeordneten nicht erwarten, dass ich die Leute mit der Nase drauf stoße.“ Der Bundestagskandidat der Grünen, Reinhard Prüllage, forderte eine schnellstmögliche Abschaltung des KKE. „Wir erzeugen weiter Atommüll, dessen Endlager wir zu unserer Lebzeit nicht mehr sehen werden“, sagte er. Prüllage äußerte zudem bedenken, ob das KKE noch entsprechend gewartet würde, wenn dessen Abschaltung 2022 feststehe: „Mein Eindruck vom Verantwortungsbewusstsein von Großkonzernen hat sich deutlich getrübt“, erklärte der Grüne.
Mittelmaß zwischen Ökologie und Ökonomie
Weitestgehend einig war sich das Podium beim Thema Agrarpolitik darüber, dass es ein vernünftiges Mittelmaß zwischen Ökologie und Ökonomie geben müssen. „Wir müssen aufpassen, keinen Keil zwischen die Interessen der Umweltschützer und die der Landwirte zu treiben“, sagte Stegemann. Einige Nichtregierungsorganisationen seien fleißig dabei, die Landwirtschaft unter einen „kriminellen Generalverdacht“ zu stellen. Auch De Ridder forderte, Ökologie und Ökonomie zusammenzubringen. „Wir brauchen einen realistischen, nicht nur romantisierenden, Blick auf die Landwirtschaft“, erklärte die Sozialdemokratin. Man müsse genau hinschauen, wie produziert werde, aber nicht die verteufeln, die produzieren würden. Meyer erinnerte daran, dass Umweltschutz nur mit den Menschen gehe. Diese, auch die Landwirte, müssten „mitgenommen werden“.Prüllage erklärte, dass auch bei den Erzeugern ein Umdenken nötig sei.
Meinungsverschiedenheiten im Detail
Im Detail gingen die Meinungen allerdings auseinander. Während Stegemann es begrüßte, dass betriebsindividuelle Subventionen abgeschafft seien und es nur noch Flächenprämien gebe, kritisierte genau dies Prüllage. „“Nicht Flächenbesitz verdient die Prämie, sondern das, was daraus gemacht wird.“ Der Grüne forderte, Landwirte sollten für das Anlegen von Grünstreifen, Bienenwiesen und den Baumschutz entschädigt werden. Prüllage sprach sich zudem für ein sofortiges Verbot von Glysophat aus. Dem entgegnete Stegemann, dass Glysophat ein schonendes Herbizit sei und die Diskussion über dessen Einsatz rein ideologisch geführt werde.
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Kommentar von Wilfried Roggendorf:
Lingen. Die Podiumsdiskussion zur Energie- und Agrarpolitik war leider kein Erfolg. Die Ursache lag sowohl beim Veranstalter, bei dem Podium als auch bei den rund 25 Zuhörern.
Der Bund hatte den Politikern vorab vier viel zu komplexe Fragen zukommen lassen, von denen er im Laufe des Abends dann noch zwei zu einer zusammenfasste und die Reihenfolge tauschte.
Verwirrung war die Folge, so dass ab der zweiten Fragerunde die Teilnehmer alle zu unterschiedlichen Themen sprachen und ein direkter Vergleich der jeweiligen Positionen kaum noch möglich war.
Aber auch das Publikum trug seinen Teil zum Misslingen der Veranstaltung bei. Einige zeigten sich an einem konstruktiven Dialog wenig interessiert. Die Publikumsfrage „War es ein Fehler, das erste deutsche Kernkraftwerk zu genehmigen, obwohl es noch kein Endlager gab?“ zeigt, wie ideologisch geprägt der Abend war. Die Antwort kann aus heutiger Sicht nur „Ja“ lauten, bringt aber niemanden auch nur einen Schritt weiter.
Erfrischend ehrlich war da das Eingeständnis von Albert Stegemann, dass von ihm als Wahlkreisabgeordnetem nicht erwartet werden könne, den emsländischen Salzstock Wahn in eine ideologiefrei geführte Endlagerdiskussion einzubringen.