Stößt FDP Moratorium und Untersuchungsausschuss an?

Lingener Tagespost - Lokales vom 03.12.2019 Von Mike Röser

Spelle. Die Proteste der Landwirte halten eine knappe Woche nach der großen Trecker-Demo in Berlin ungebrochen an. Rund 700 von ihnen aus dem Emsland, der Grafschaft Bentheim und benachbarten Regionen kamen am Montagabend zu einer Podiumsdiskussion nach Spelle, um zu hören, was die FDP zu ihrer Zukunft zu sagen hat, um mitzudiskutieren und ihren Sorgen Ausdruck zu verleihen.

Eingeladen ins Drive & Train-Zentrum des Unternehmens Krone hatte der FDP-Bezirksverband Osnabrück, mit Unterstützung der regionalen Organisatoren der Bewegung Land schafft Verbindung, die auch die Trecker-Demo in Berlin auf die Beine gestellt hatte. Deren Sprecher Matthias Everinghoff und Henning Stegemann sollten mit Gero Hocker, dem landwirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, und dem Unternehmer Bernard Krone über die Lage und die Zukunft der Landwirtschaft diskutieren. Das taten sie im Zeichen des umstrittenen Agrarpakets - mitsamt vieler Wortmeldungen von Landwirten im Publikum - dann auch: rund drei Stunden lang, kontrovers, mitunter laut und sorgenvoll.

Hocker mahnte an, dass der Landwirtschaft nicht pauschal der Schwarze Peter zugeschoben werden könne. Politik und Gesellschaft würden es sich einfach machen, wenn sie Belastungen dorthin schöben, wo der geringste Widerstand erwartet werde. „Es wird Zeit, dass dieser Ruf in den Ohren der Kollegen ankommt“, rief der FDP-Bundestagsabgeordnete den Landwirten zu. Den Agrargipfel, der ebenfalls am Montag in Berlin stattfand, bezeichnete er als gut, da wieder diskutiert werde. Aber: „Es kann nicht sein, dass sich danach faktisch nichts ändert.“ Seine Partei strebe ein Moratorium für die Landwirtschaft an: Keine weiteren Vorgaben mehr, bevor nicht wissenschaftliche Daten auf dem Tisch sind.

Politik auf Grundlage von Fakten

Er mahnte - beispielsweise mit Blick auf Düngevorgaben und Nitratmesstellen - an, dass Politik wieder mehr aufgrund von Fakten und nicht von Stimmungslagen in der Gesellschaft gemacht werden müsse. Ihm fehle es dabei an Wissenschaftlichkeit. Beispielsweise müsse der Blick bei Nitratbelastungen auch auf die maroden Kanalisationen gelenkt werden - das sei aber unpopulär, weil bei einer Sanierung viele Menschen von Anliegerbeiträgen betroffen sein würden.

Untersuchungsausschuss?

Mit Blick auf die „Roten Gebiete“, in denen Landwirte weniger düngen dürfen, forderte der Oppositionspoltiker auch eine wissenschaftliche Überprüfung der Nitratmessstellen. Dass Hocker damit einen wunden Punkt bei den Landwirten ansprach, wurde in Wortmeldungen deutlich. „Da sind wir beschissen worden“, hieß es da beispielsweise mit Blick auf die Nitratwerte, die in der Vergangenheit an die EU gemeldet wurden, was letztlich eine noch stärkere Regulierung nach sich zog. Ob er nicht einen Untersuchungsausschuss anstreben wolle, wurde Hocker gefragt. „Das werden wir prüfen“, antwortete er.

Krone plädiert für deutsche Regelung

Auch eine europäische Initiative für gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen in den verschiedenen Bereichen der Landwirtschaft forderte Hocker. Das wiederum brachte Gastgeber Bernard Krone auf. „Die Landwirte haben keine Zeit, auf EU-Recht zu warten. Das dauert zu lange und am Ende weiß man nicht, was da auf einen zukommt“, argumentierte der Unternehmer. Er plädierte für „vernünftige Regeln in Deutschland für die Bauern“, damit diese Planungssicherheit erhalten und Existenzen gesichert werden können. Ausländische Produzenten müssten sich dann eben an diese Regeln halten, wenn sie hierzulande Geschäfte machen wollen.

Hocker widersprach dem: „Das wird sich nur europäisch lösen lassen.“ Und es müsse europäisch gelöst werden. Als Beispiel nannte er den französischen Rübenbauern, der das Unkrautmittel Glyphosat weiterhin verwenden und seine Ware in Deutschland verkaufen dürfe. Sein deutscher Berufskollege darf das Mittel voraussichtlich nicht mehr einsetzen. Eine Lösung werde lange dauern, doch er setze Hoffnung auf Ursula von der Leyen (CDU), die seit dem 1. Dezember Präsidentin des Europäischen Kommission ist. Landwirt Everinghoff stellte in Frage, ob diese Zeit vorhanden ist, und sagte: „Wenn es noch lange dauert, dann wird es uns nicht mehr geben.“

Einen kämpferischen Aufruf richtete unterdessen Bernard Krone an die Landwirte im Trainingszentrum seines Unternehmens. „Der Druck muss aufrecht erhalten werden“, sagte er. Doch sei es auch an der Zeit, beispielsweise auf den Bauernverband wieder zu zu gehen. „Mancher Verband hat viel zu lange in Berlin auf dem Sessel gesessen“, echauffierte er sich. Aber dann müsse man eben in die Verbände gehen und sie von unten erneuern. Zu Engagement in den gewachsenen Strukturen rief auch Henning Stegemann von Land schafft Verbindung auf: „Leute, tretet ein - egal ob in Vereine, Verbände oder Politik.“

Klar entgegen stellte sich Everinghoff indes einer Stimme aus dem Publikum, die drastischere Maßnahmen ins Gespräch brachte: etwa die Blockade von Zentrallagern der Discounter oder des Lingener Weihnachtsmarktes, „damit die Leute endlich merken, was los ist“. Man sei jetzt ist in der Diskussion mit der Gesellschaft angekommen, betonte der Regionalsprecher von Land schafft Verbindung. Solche radikalen Ansätze seien „kontraproduktiv“.