Streit um Ausschussbesetzung im Stadtrat In Betriebsausschüsse sollen nur noch Ratsmitglieder – Bürgernahe wollen notfalls klagen

Lingener Tagespost - Lokales vom 8.12.2016
Entscheidet über die Zusammensetzung der Betriebsausschüsse der städtischen Eigenbetriebe in Lingen womöglich ein Gericht?
Von Wilfried Roggendorf
Lingen. Wenn die Fronten zwischen den Bürgernahen (BN) und den anderen Ratsfraktionen so verhärtet bleiben, wie sie derzeit in dieser Frage sind, ist dies durchaus möglich.
Worum geht es bei diesem Streit der Fraktionen?
Die Fraktionen im Lingener Stadtrat haben das Recht, entsprechend ihrer Stärke Mitglieder für die drei Betriebsausschüsse Zentrale Gebäudewirtschaft (ZGW), Stadtentwässerung und Emslandhallen zu benennen. Diese müssen nach den derzeit gültigen Satzungen der städtischen Eigenbetriebe nicht zwangsläufig Mitglied des Stadtrates sein.
Was ist passiert?
Diesen Vorgaben entsprechend, haben die BN am 27. Oktober 2016 für die Betriebsausschüsse Emslandhallen und ZGW Atze Storm und für den Betriebsausschuss Stadtentwässerung Jürgen Beranek benannt. Beide sind nach der Kommunalwahl vom 11. September aus dem Rat ausgeschieden. Mit ihrer Benennung stoßen die BN auf Widerstand im Rat. Bei der konstituierenden Sitzung des Stadtrates am 3. November wurde auf die Neubesetzung der Betriebsausschüsse verzichtet. Als Grund führte Oberbürgermeister Dieter Krone die „unklare Rechtslage“ an. Daraufhin haben die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP am 15. November gemeinsam beantragt, die Satzungen der drei Betriebe dahingehend zu ändern, dass der Rat die Mitglieder, außer den Arbeitnehmervertretern, aus seiner Mitte wählt.
Wie werden diese Anträge behandelt?
Am 6. Dezember tagte der Betriebsausschuss Stadtentwässerung. Dort beschloss der Ausschuss bei einer Gegenstimme des BN-Vertreters und Ausschussvorsitzenden Jürgen Beranek, dem Rat die Änderung der Betriebssatzung vorzuschlagen. Der BN-Vorschlag, ein von ihnen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das Anfang Januar vorliegen soll, abzuwarten, wurde von allen anderen Parteien abgelehnt. Am Mittwoch hat auch der Betriebsausschuss ZGW eine Änderung der Satzung beschlossen. Der Betriebsausschuss Emslandhallen berät darüber am 12. Dezember.
Welche Argumente bringen die BN vor?
Die BN verweisen darauf, dass mit Stefan Heitker in der abgelaufenen Wahlperiode ein von ihnen benanntes Mitglied Sitz und Stimme im Betriebsausschuss Stadtentwässerung hatte, das nicht dem Rat angehörte. Die BN hätten ihr für den Rat rechtlich verbindliches Benennungsrecht für Ausschussmitglieder ausgeübt. Die anschließende Änderung der Betriebssatzungen greife in unzulässiger Weise in dieses Recht der BN-Fraktion ein.
Wie argumentieren die anderen Fraktionen?
Sie halten es für sinnvoll, dass nur Ratsmitglieder auch den Betriebsausschüssen angehören. Im Betriebsausschuss Stadtentwässerung sagte Michael Fuest (Grüne): „Wir haben als gewählte Ratsmitglieder eine besondere Verpflichtung und Verantwortung, beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht. Es ist Aufgabe des Rates, im Ausschuss vertreten zu sein.“ Jens Beeck (FDP) meinte: „Es müssen im Ausschuss immer auch Dinge beraten werden, die Kernaufgaben der Verwaltung und ihre Strukturen betreffen. Daher ist es richtig, dass dies Ratsmitglieder machen.“ Ähnlich waren die Argumente im Betriebsausschuss ZGW.
Wie geht es weiter?
Voraussichtlich wird der Rat in seiner Sitzung am 15. Dezember die Änderung der drei Betriebssatzungen beschließen. Sollte das von den BN in Auftrag gegebene Gutachten deren Rechtsauffassung teilen, wollen die BN gerichtlich gegen diese Ratsbeschlüsse vorgehen, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Marc Riße auf Nachfrage unserer Redaktion ankündigte.
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Kommentar der LT
Großes Theater in der Stadtpolitik
Von Wilfried Roggendorf
Es ist großes politisches Theater, das derzeit im Lingener Stadtrat bei der Besetzung der Betriebsausschüsse gespielt wird. Hauptdarsteller sind die Bürgernahen (BN) um ihren Wortführer Robert Koop, die im Streit mit allen anderen Fraktionen wohl gerne die Opferrolle geben.
Die Bühne dafür bieten den BN die anderen Fraktionen. Denn diese hatten, nachdem die Bürgernahen 2011 erstmals einen nicht in den Rat gewählten Vertreter für einen Ausschuss benannt hatten, fünf Jahre Zeit, die Satzungen so zu ändern, dass dies nicht mehr möglich ist.
In der Sache haben CDU, SPD, Grüne und FDP recht: In die Betriebsausschüsse gehören Ratsmitglieder. Doch die Satzungen erst zu ändern, nachdem die BN erneut Vertreter von außerhalb des Stadtrates benannt haben, ist der falsche Zeitpunkt.
Mit nur je einem BN-Vertreter in den betroffenen drei Ausschüssen hätten die anderen Fraktionen ruhig noch einmal fünf Jahre leben können, um dann die Satzung zu ändern. Oder sie hätten es vorher machen sollen.
Und der Bürger? Es wäre ihm nicht übel zu nehmen, wenn er sich fragte, ob auf dem Spielplan der lokalpolitischen Bühne nicht wichtigere Themen stehen sollten. So wäre es nicht verwunderlich, wenn er sich politikverdrossen von diesem unnötigen Trauerspiel abwenden sollte.