Wie geht es jetzt weiter? - Bundestagsabgeordnete aus der Region zum Scheitern von Jamaika

Lingener Tagespost - Lokales vom 22.11.2017
Lingen. Wie soll es nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche weitergehen? Und wieso sind diese gescheitert? Dies hat unsere Redaktion die Bundestagsabgeordneten Albert Stegemann (CDU), Daniela De Ridder (SPD) und Jens Beeck (FDP) gefragt.
Stegemann zeigt sich überrascht vom Abbruch der Gespräche. „Ich habe da richtig sparsam aus der Wäsche geguckt und war enttäuscht“, sagt der Christdemokrat. Anfangs sah ich die größeren Probleme zwischen CDU und CSU. Doch wir waren uns schnell einig, was ich mir schon für die Zeit vor der Bundestagswahl gewünscht hätte. Dann habe es unüberbrückbare Differenzen zwischen CSU und Grünen gegeben, schildert Stegemann den Lauf der Verhandlungen. Er kritisiert die FDP wegen des Scheiterns der Gespräche: „Lindner hat die Flucht ergriffen, weil er Angst hatte, durch Mitregieren zu verlieren. Die Freien Demokraten stellen die eigene Eitelkeit über eine stabile Regierung“, erklärt Stegemann. Dabei habe der Wähler auch der FDP einen Handlungsauftrag mit auf den Weg gegeben.
Beeck: Nach 54 Tagen kein großes Thema abgeräumt
Dies sieht Freidemokrat Beeck anders: „Wir haben intensiv verhandelt und es versucht, aber es ist uns bedauerlicherweise nicht gelungen, für das Land inhaltlich etwas hinzubekommen, das unseren Vorstellungen von einer Trendwende in der Politik entsprochen hätte.“ Vieles sei zum Abbruch der Gespräche falsch berichtet worden, sagt Beeck und nennt als Beispiel das Thema Solidaritätszuschlag. Das letzte Angebot der anderen Parteien sei gewesen 2018 und 2019 nichts zu verändern, 2020 dann die Bürger um 4 Milliarden Euro und 2021 um 6 Milliarden Euro zu entlasten. „Damit hat man uns nach 54 Verhandlungstagen exakt das Wahlprogramm der CDU angeboten“, bedauert Beeck. „Das sitzen wir da und sitzen da und haben nach 54 Tagen bei allen großen Themen nichts abgeräumt“, sagt Beeck. Er erklärt, dass am Sonntagabend keine Einigung zum Greifen nahe war. Insgesamt 237 Verhandlungspunkte seien am Sonntagabend noch strittig gewesen, darunter alle großen Themen. „Dann muss man irgendwann die Konsequenz ziehen und sagen, es geht nicht mehr.“
Stegemann: Vielleicht kurbelt Minderheitsregierung politische Diskussion an
Zur Frage, wie es weitergehen soll, erklärte Stegemann, dass der Ball jetzt im Feld des Bundespräsidenten liege. Er glaube nicht daran, dass die FDP noch einmal an den Verhandlungstisch zurückkehre. „Da ist es wahrscheinlicher, dass die SPD noch einmal in sich geht und doch einer Großen Koalition zustimmt“, meint der Christdemokrat. Auch eine CDU-Minderheitsregierung lehnt Stegemann nicht ab. „Vielleicht kurbelt eine solche ja die politische Diskussion an“, sagt er, auch wenn es dann schwierig sei, bei wichtigen außenpolitischen Fragen schnell zu reagieren. Neuwahlen lehnt Stegemann ab. „Es ist unsere Aufgabe als Politiker, mit dem Ergebnis der Wahl zu arbeiten. Neuwahlen wären eine Kapitulation und ein Scheitern der Politik. Es ist unser Job, das Rad wieder ans Drehen zu kriegen“, erklärt Stegemann. Zudem glaubt er nicht, dass Neuwahlen zu einem anderen Ergebnis führen würden.
Beeck: FDP ist nicht Fundamentalopposition
In diesem Punkt ist er sich mit Beeck einig. „Neuwahlen bringen keine andere Konstellation hervor“; sagt auch der FDP-Abgeordnete. Der Ball liege jetzt beim Bundespräsidenten. „Und da liegt er sowohl beim Amt als auch bei der Person richtig“, ist Beeck überzeugt. Er findet es gut, dass der Bundespräsident jetzt mit allen Parteien spricht. Die FDP stehe auch zu einer möglichen Minderheitsregierung. „Wir sind nicht Fundamentalopposition, sondern bereit, konstruktiv mitzuarbeiten“, versichert der Freidemokrat. „Man muss ausprobieren, ob andere Instrumente bei sieben Parteien im Bundestag und einer breiten Streuung der politischen Ansichten notwendig sind“, sagt Beeck zum Thema Minderheitsregierung. Sie sei bei den vielen Schnittmengen, die es im Parlament gebe, durchaus möglich.
Keine Option ist wirklich gut
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela De Ridder sieht drei Optionen, wie es weitergehen könnte: Neuwahlen, Minderheitsregierung oder Große Koalition. „Doch keine davon ist wirklich gut“, sagt die Sozialdemokratin. Sie hätte erwartet, dass die anderen Parteien mehr Räson bei ihren Sondierungsgesprächen gezeigt hätten. Jetzt warte die SPD das Gespräch ihres Vorsitzenden Martin Schulz mit dem Bundespräsidenten ab. „Dann werden wir entscheiden, ob es ein Gespräch zwischen Schulz und Merkel geben wird.“ Ein solches werde keinesfalls nur pro forma geführt. „Die Große Koalition ist vom Wähler nicht gewünscht. Es ist ein starkes Stück, zu erwarten, dass wir jetzt die Retter der Demokratie sein müssten“, sagte die Sozialdemokratin.
De Ridder: Sind keine Verweigerer
Neuwahlen bezeichnet De Ridder als kein probates Mittel, obwohl darin auch eine Chance für die SPD liegen könne. „Gerade die niedersächsische SPD hat nach der Landtagswahl kein Interesse an Neuwahlen im Bund“, erklärte die Abgeordnete. Auch wenn eine Minderheitsregierung es schwer haben werde, sieht De Ridder darin einen Vorteil: „Sie könnte zu einer anderen Art Debatte im Plenum führen und die Stellung des einzelnen Parlamentariers stärken.“ Die Sozialdemokraten seien bei einer CDU-geführten Minderheitsregierung keine Verweigerer. „Wir schauen auf das Wohl des Landes und die Stärkung der demokratischen Strukturen“, sagte De Ridder.